Dokumentation des Symposiums "Potenzial digital für Gendering MINT"

01.10.2020  //  Komm, mach MINT

Vom 19. August bis 3. September 2020 fand das virtuelle Symposium "Potenzial digital für Gendering MINT" (PDF) des Verbundprojektes Gendering MINT digital statt. Im Rahmen des Projekts wurden Open Educational Resources und Partizipative Mediographien entwickelt, die zu einer Auseinandersetzung mit Gender in MINT einladen. Das Symposium bot den Raum für intensive Diskussionen über Potentiale und Herausforderungen der Inklusion von Genderforschung in die Lehre und die Gleichstellungsinitiativen in den MINT-Fächern.

"Gendering MINT" wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in der Förderlinie "Erfolg mit MINT - Neue Chancen für Frauen" gefördert.

Die Vermittlung von Gender in MINT bedarf einer fach- und zielgruppenspezifischen Ausrichtung. Im Austausch mit den Kooperationspartner/innen diskutierten Teilnehmende auf dem Symposium Erfahrungen, Best Practices und Fallstricke bei der Erprobung der Open Educational Resources (OER) von Teilprojekt II in den Fächern Biologie, Chemie, Informatik und Physik.

Im Gespräch mit Prof. Dr. Annette Upmeier zu Belzen (Fachdidaktik Biologie an der HU Berlin) und Prof. Dr. Markus Prechtl (Fachdidaktik Chemie an der TU Darmstadt) wurden übergreifende wie fachspezifische Anforderungen deutlich. Es zeigte sich die Notwendigkeit zum fächerübergreifenden Austausch und der Entwicklung von verschränkten Strategien. Ein zentraler Diskussionspunkt war dabei, welche Themen für welche Zielgruppen von Interesse sind. Nicht wenige Lehrende und Studierende der MINT-Fächer meinen, dass Gender nichts mit ihrem Fach zu tun habe. Ist es daher sinnvoller als Einstieg zunächst die Relevanz von Gender in ihrem Fach zu klären? Oder sollte zu Beginn in die Grundlagen von Gender Studies eingeführt werden, um auf diese Weise Vorurteilen gegen über Gender Studies zu begegnen?

Der Kenntnisstand unter MINT-Studierenden ist nicht immer homogen. So wurden die OER beispielsweise auch in Lehrveranstaltungen erprobt, an denen Studierende teilnahmen, die sich im Studienverlauf bereits in Genderthemen vertieft hatten, während andere Studierende zum ersten Mal in Kontakt mit Genderforschung kamen. Prof. Dr. Bernadette Spieler (Universität Hildesheim) berichtete, wie die Informatikstudierenden in ihrem Seminar durch die OER zu einer intensiven Beschäftigung mit Gender angeregt wurden, sowohl in autobiographischer Hinsicht als auch in Hinblick auf ihr Studienfach und ihre zukünftigen beruflichen Tätigkeitsfelder.

Genderforschung ist komplex. In den MINT-Fächer ist für den Erwerb von fachspezifischer Genderkompetenz noch wenig Zeit und Raum vorgesehen. Die Erwartungen in den MINT-Fächern lauten nicht selten, dass Gender in einer Einheit ausreichend behandelt werden könne. Dies birgt die Gefahr der Übersimplifikation. Anderseits können Zielgruppen auch abgeschreckt werden, wenn die Inhalte zu umfangreich und anspruchsvoll sind.

Die Teilnehmenden auf dem Symposium diskutierten mit den Expert/innen Florian Klenk (TU Darmstadt), Inga Nüthen (Universität Marburg) und Juliette Wedl (TU Braunschweig) über das Spannungsfeld von notwendigen Vereinfachungen und der Vermittlung von komplexen, intersektionalen und queeren Zusammenhängen. So können beispielsweise die Anforderungen an ein 6-Minuten Erklärvideo sehr widersprüchlich sein. Es soll kurzweilig und niedrigschwellig sein aber gleichzeitig auch an komplexe Themen heranführen. Eine vorab aufgezeichnete Diskussionsrunde zu "Queering MINT" lieferte für die Diskussion wertvolle Impulse.

Und auch für den Dialog zwischen Genderforschung und MINT, ein Schwerpunkt der partizipativen Mediographien der Teilprojekte I und III des Verbundprojektes, ist das Austarieren zwischen Komplexität und Übersimplifizierung eine Herausforderung. Die gilt nicht zuletzt in der Umsetzung über digitale Formate, wie Dr. habil. Stefan Trinkaus (Universität Bielefeld) im Gespräch mit Dr. Marion Mangelsdorf (ALU Freiburg) und Prof. Dr. Daniel Fetzner (Hochschule Offenburg) in der Live-Session "Digitalisierung gestalten" auslotete.

Inklusionsstrategien benötigen verkörperte Genderkompetenz. Die Inklusion von Gender in den MINT-Fächer bedarf nicht nur geeigneter Medien, wie Open Educational Resources und Partizipative Mediographien, sondern auch Personal, Raum und dauerhafte Strukturen für einen kontinuierlichen Austausch zwischen Genderforscher/innen und ihren Kolleg/innen in den MINT-Fächern sowie mit Initiativen von anderen Hochschulen. Der Aufbau von innovativen Partnerschaften benötigt Zeit und Hilfestellungen für MINT-Lehrende sind erfahrungsgemäß notwendig.

Am Symposium nahmen Vertreter/innen von weitere BMBF-geförderten Projekten der Förderlinie "Erfolg mit MINT - Neue Chancen für Frauen" teil und brachten ihre Erfahrungen ein. Mit Anna Voigt (Frankfurt University of Applied Sciences) diskutierten wir beispielsweise Ideen zur Interaktivität unserer OER, ausgerichtet an den Fachthemen von Lehrenden der Ingenieurswissenschaften in den Workshops von Gender FoLi. Diese Diskussionen machten die Notwendigkeit und den Mehrwert einer auch finanziell gesattelten Vernetzung der BMBF-Projekte für produktive und fruchtbare Weiterentwicklungen – in Form von Best-Practice-Umgebungen –, Verstetigungen und Nachhaltigkeit ihrer Produkte im Einsatz in den MINT-Fächern deutlich, ein wichtiges Zukunftsprojekt, das schon auf der Transfertagung „Erfolg mit MINT – Karrieren gestalten, Potenziale entfalten“ im November 2019 eingebracht wurde. Strategien hierzu werden seit 2019 auf Initiative des Teilprojektes II von Gendering MINT digital in einer Arbeitsgruppe zu "Herausforderungen und Strategien zur Inklusion von Gender in MINT" (PDF) der KEG (Konferenz der Einrichtungen Frauen- und Geschlechterstudien im deutschsprachigen Raum ) diskutiert. Die Arbeitsgruppe umfasst inzwischen mehr als 50 Mitglieder; bei Interesse an Teilnahme bitte e-mail an Yves Jeanrenaud (yves.jeanrenaud@tum.de) oder RyLee Hühne (huehne.rylee@fh-swf.de).

Wie kann Digitales im digitalen präsentiert werden? Dass die Open Educational Resources und Partizipative Mediographien von Gendering MINT digital ohnehin über das Internet abrufbar sind, kam der Durchführung eines virtuellen Symposiums entgegen. So war das Symposium in zwei Phasen aufgeteilt. In der ersten Phase konnten die Teilnehmenden zwei Wochen lang die Projektergebnisse ohne Zeitdruck und nach eigenen Interessen erkunden und ausprobieren. Foren standen in der asynchronen Phase zur Diskussion und als Rückmeldungskanal zur Verfügung. Die Themen wurden dann in der anschließenden live Phase vom 2. bis 3. Septembers aufgegriffen. Dominique Kleiner unterstützte die Videokonferenz durch Graphic Recordings. So wurden beispielsweise alle ehemaligen und aktuellen Mitarbeiter*innen des Verbundprojekts mit kurzen illustrierten Porträtvideos vorgestellt. Diese kurzweilige und informative Vorstellungsrunde erntete im Videokonferenzchat begeisterte Kommentare.

Neugierig? Die Open Educational Resources von Gendering MINT digital sind freizugänglich können unter www.hu-berlin.de/genderingmintdigital erkundet und verwendet werden. Die OER enthalten didaktische Vorschläge zum Einsatz in der Hochschullehre.

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