Mehr MINT-Studentinnen durch familienfreundliche Hochschulen

19.03.2010

Frauen möchten Karriere machen und Kinder bekommen, Männer möchten als moderne Väter ihre Kinder erziehen und nicht nur den Ernährer spielen. Wenn es darum geht, diese Wünsche umzusetzen, spielen familienfreundliche Hochschulen eine große Rolle. Acht von ihnen haben auf der Tagung „Bitte mit Familie – Hochschulen im Wandel“ gezeigt, mit welchen Werkzeugen sich Familie, Studium und Beruf besser miteinander vereinbaren lassen. Sie sind Beispiele, die Schule machen sollten. Für den Nationalen Pakt "Komm mach MINT!" ist dieses Engagement eine wichtige Unterstützung, um mehr Frauen für MINT-Studiengänge zu gewinnen.

„Wer als Frau in den Naturwissenschaften etwas werden will, lässt sich am besten sterilisieren“ - dieser Satz kursierte in den siebziger Jahren unter den Studierenden von Christiane Nüsslein-Volhard, Deutschlands einziger Nobelpreisträgerin in Medizin. Dass noch vor wenigen Jahrzehnten solche Ansichten vorgeherrscht haben, daran erinnerte die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kristina Schröder. Sie hielt die Eröffnungsrede auf der Tagung „Bitte mit Familie – Hochschulen im Wandel“, die am 15. und 16. März in Berlin stattfand. Über 180 Vertreterinnen und Vertreter aus Hochschulen des ganzen Landes diskutierten über Wege, Studium und Familie vereinbar zu machen.

Heute ist es keine Ausnahme mehr, dass auch Professorinnen Kinder haben. Dennoch sind die Bedingungen dafür, Familie, Studium und Karriere unter einen Hut zu bekommen, noch nicht ideal. Acht Hochschulen - darunter mit der Beuth-Hochschule für Technik auch ein "Komm mach MINT!"-Partner - zeigten auf der Tagung, wie man es besser machen kann. Vor zwei Jahren waren sie beim Wettbewerb „Familie in der Hochschule“ als besonders familienfreundlich ausgezeichnet und anschließend bei der Weiterentwicklung beispielhafter Praxis finanziell unterstützt worden.

Die Ergebnisse machen Mut: Sie zeigen, wie man Studierenden mit Kind das Studium wesentlich erleichtern und überdies exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Kind für die Hochschulen gewinnen und bei ihrer Karriere unterstützen kann. Nicht zuletzt machen sie vor, wie der Campus zu einem Ort wird, an dem Kinder ganz selbstverständlich dazugehören. Familienfreundliche Hochschulen legen den Grundstein dafür, dass - im Gegensatz zu früheren Zeiten - gerade auch Studentinnen in MINT-Fächern den Mut zur Familiengründung finden.

Initiiert wird das Programm "Familie in der Hochschule" von dem Beauftragten für die neuen Bundesländer, dem Centrum für Hochschulentwicklung sowie dem "Komm mach MINT!"- Partner Robert Bosch Stiftung.

Bundesministerin Kristina Schröder: Karriereknick vorbeugen
Etwas mehr als hundert Jahre ist es her, dass Frauen zum Studium zugelassen wurden. Während ihre männlichen Kommilitonen sie damals noch belächelten, ist heute bereits mehr als die Hälfte der Studierenden weiblich. Daran erinnerte die Bundesministerin Kristina Schröder, die jedoch gleich eine schlechte Nachricht hinzufügte: Dieser hohe Frauenanteil nimmt mit jeder weiteren akademischen Karrierestufe ab. Nur 15 Prozent der Professoren sind weiblich, einen eigenen Lehrstuhl haben sogar nur 11 Prozent. „Irgendwann stoßen Frauen auf Grenzen“, so Kristina Schröder. Warum das so ist, erklärte der nachfolgende Redner Wassilos Fthenakis von der Freien Universität Bozen: Die Karriere der Frauen knicke meist in der Lebensphase ein, in der sie auch Kinder bekommen. Die Kindererziehung bleibt nämlich noch immer vor allem an der Mutter hängen.
Wie soll man auf dieses Problem reagieren? Wie sollen Frauen in der Wissenschaft die gleichen Chancen bekommen wie Männer und trotzdem eine Familie gründen können? Auch auf diese Frage möchte die Tagung eine Antwort geben. Familienfreundliche Hochschulen sind auch ein Instrument, um dem demographischen Wandel vorzubeugen. „Eigentlich ist das Studium ein guter Zeitpunkt, um Kinder zu bekommen, weil man relativ flexibel ist“, so Bundesministerin Schröder. Außerdem werde die „Rush Hour des Lebens“ entzerrt, also das Alter zwischen 30 und 40 Jahren, in dem viele Menschen sich nicht nur beruflich etablieren, sondern auch eine feste Partnerschaft aufbauen und eine Familie gründen.

Wege zur familienfreundlichen Hochschule

Flexibilität
Junge Eltern sind nicht so flexibel wie ihre Kommilitonen ohne Kind. Ein starrer Stundenplan mit festen Präsenzzeiten und strengen Prüfungsfristen stellt sie vor so große Probleme, dass mehr als die Hälfte von ihnen das Studium abbricht. Damit es so weit nicht kommt, hat die Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen einen flexiblen Lehrplan entwickelt. Junge Eltern können in Teilzeit studieren und müssen bei den Seminaren nicht immer anwesend sein. Ein Wechsel von E-Learning und Präsenzveranstaltungen erlaubt es den Studierenden, öfter von zuhause aus zu lernen.

Spezielle E-Learning-Angebote für Studentinnen der MINT-Fächer
Die Freie Universität Berlin hat ein E-Learning-Angebot der besonderen Art für Schwangere und stillende Mütter entwickelt, die keine chemischen Labore betreten dürfen. Diese Regelung schützt ungeborene Kinder vor toxischen Stoffen, verdammt die Mütter jedoch bis zum Ende der Stillzeit zur Untätigkeit. Schwangere Chemie-Studentinnen zum Beispiel müssen ihr Studium unterbrechen, wenn Experimente auf dem Lehrplan stehen. In Berlin ist das anders: Die Lösung sind im Internet abrufbare, interaktive Praktikumsexperimente. In den Fächern Chemie, Biologie, Physik und Veterinärmedizin können Schwangere wichtige Versuche am Bildschirm durchführen. Sie verpassen keine wichtigen Übungen und verlieren nicht den Anschluss an den laufenden Unterrichtsstoff.

Konkurrenzfähigkeit
Ein Jahr Maschinenbau-Studium in Portugal, und das mit Kind? Kein Problem! Die Hochschule Wismar fördert junge Eltern, die ein oder zwei Semester im Ausland studieren möchten. Ein Internetportal versorgt Interessierte mit allen nötigen Informationen, damit auch sie nicht auf den für die Karriere oft wichtigen Auslandsaufenthalt verzichten müssen. So können sie genau wie ihre Kommilitonen ohne Kind soziale und interkulturelle
Erfahrungen sammeln.

Tandem
Gerade wenn Kinder krank sind, müssen studierende Eltern oft zuhause bleiben und versäumen dadurch wichtigen Lehrstoff. Die Beuth-Hochschule für Technik, Partner von "Komm mach MINT!", hat sich für dieses Problem eine einfache Lösung ausgedacht: Studierende mit Nachwuchs bekommen Hilfe von anderen Studierenden ohne Kind. Zwei Personen bilden jeweils ein Tandem. Die Mentorin bzw. der Mentor kommt zumeist aus dem gleichen Semester. „Sie fertigen Mitschriften an und helfen bei sonstigen fachlichen Fragen“, sagt Beate Keibel von der Beuth-Hochschule. Dafür werden sie wie eine studentische Hilfskraft bezahlt. Weil das Projekt so gut angenommen wird, möchte die Hochschule auch nach Auslaufen der finanziellen Förderung damit weitermachen. „Das Engagement der Mentorinnen und Mentoren könnte dann mit Credit Points belohnt werden“, so Keibel.

Finanzen
Damit Ärztinnen bald nach der Geburt ihres Kindes wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, hat die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) das so genannte „Familien-LOM“ eingeführt. LOM steht für Leistungsorientierte Mittelvergabe. Eine Klinik erhält ein Familien-LOM in Höhe von 12.000 Euro, wenn eine dort beschäftigte Ärztin innerhalb eines Jahres nach der Geburt ihres Kindes an den Arbeitsplatz zurückkehrt. Die Mittel gehen an die Abteilungen, sind nicht zweckgebunden und kommen oft direkt den Frauen und ihren wissenschaftlichen Arbeitsgruppen zugute.

Bollerwagen in der Bibliothek
Hochschulen sind nicht nur Ausbildungsstätte. Sie sind auch ein Lebensraum, in dem viele wichtige Weichen für das spätere Leben gestellt werden. Wenn Kinder an diesem Ort selbstverständlich dazugehören, fühlen sich Studierende auch eher dazu ermutigt, selbst eine Familie zu gründen. Laut einer Umfrage des Centrums für Hochschulentwicklung wünschen sich nämlich über 80 Prozent der Studierenden Kinder – und viele von ihnen sogar möglichst schnell. Die Fachhochschule Potsdam geht hier voran. Sie hat „Orte für Familien“ geschaffen: einen Familientisch für die Mensa, Eltern-Kind-Sitzgelegenheiten für Seminarräume, Baby-Bollerwagen, Kinderkisten für das Büro und eine Bücherei für Kinder in der Bibliothek. So wird die Hochschule zu einem Ort, an dem Familie gelebt wird.

Robert Bosch Stiftung
Bereits vor sechs Jahren hat die Robert Bosch Stiftung einen Schwerpunkt Demographie gegründet. Sie unterstützt das Programm „Familien in der Hochschule“, damit mehr hoch qualifizierte junge Menschen auch in der Phase des Studiums eine Familie gründen. „Studierende und junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler finden bei der Familiengründung noch zu wenig Unterstützung im Umfeld ihrer Hochschule“, so Günter Gerstberger von der Robert Bosch Stiftung. Angesichts des bevorstehenden Fachkräftemangels werde Familienfreundlichkeit für die Hochschulen zu einem immer wichtigeren Argument im Wettbewerb um Studierende und wissenschaftliches Personal. Junge Frauen und Männer werden sich die Hochschule verstärkt nach dem Kriterium der Familienfreundlichkeit aussuchen.

Komm, mach MINT.
"Komm, mach MINT." - der Nationale Pakt für Frauen in MINT-Berufen zwischen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien soll das Bild der MINT-Berufe in der Gesellschaft verändern, junge Frauen für naturwissenschaftliche und technische Studiengänge begeistern sowie Hochschulabsolventinnen für Karrieren in der Wirtschaft gewinnen. "Komm, mach MINT." ist Bestandteil der Qualifizierungsinitiative der Bundesregierung "Aufstieg durch Bildung".

Pressekontakt

Portrait Christina Haaf
Christina Haaf Öffentlichkeitsarbeit
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