Claudia

Biotechnologie

Porträt Claudia Müller

Die Biotechnologin Claudia Müller treibt das ehrgeizige Ziel, ein Mittel gegen Brustkrebs zu entwickeln. Dabei hatte ihr Berufsleben eigentlich ganz anders angefangen...

Was reizt Sie so besonders an der Biotechnologie?

Als ich zum ersten Mal meine eigene DNA aus der Mundschleimhaut extrahierte, war ich schon ziemlich aus dem Häuschen. Aber das kribbelnde Erlebnis, mit der DNA-Fingerprinting-Methode einen Täter dingfest zu machen, also wirklich herauszufinden, wer denn jetzt der Böse war, das setzte dem noch die Krone auf!

Dabei hatten Sie zunächst mit Naturwissenschaften gar nichts im Sinn ...

Ich bin auf einem kleinen Bauernhof in der Nähe von Weimar aufgewachsen. Nach der mittleren Reife war klar, dass ich erst mal was "Ordentliches" lernen würde. Ich ging nach Berlin und begann eine dreijährige Lehre bei der Deutschen Rentenversicherung. Danach dämmerte mir allerdings ziemlich bald, dass mich das tägliche Wälzen von Akten nicht glücklich macht und ich beschloss, das Abitur an der Abendschule nachzuholen. Vier Jahre lang habe ich untertags Versicherungsakten durchgearbeitet und danach von 17.30 Uhr bis 21.30 Uhr die Schulbank gedrückt. Meine damalige Biologielehrerin legte Wert darauf, dass ihre Schüler das Fach praxisnah erleben und ging mit uns ins Labor. Dort hatte ich das Erlebnis mit meiner DNA und mir schoss durch den Kopf: Das würde ich gerne mein Leben lang machen. Also habe ich die Weichen neu gestellt.

Wie haben Sie das Studium finanziert?

Ich begann Biotechnologie an der Hochschule Lausitz in Senftenberg zu studieren – hörte aber nicht auf zu arbeiten. Was bedeutete: morgens um 5 in den Zug steigen, bis 12 oder 13 Uhr studieren, wieder zurück nach Berlin, dort bis zu sechs Stunden bei der Versicherung arbeiten, abends gegen halb neun endlich zu Hause sein, schnell etwas essen, todmüde ins Bett fallen, am anderen morgen um 5 bei Wind und Wetter wieder am Bahnhof stehen. Während die Kommilitonen sich auf Klausuren oder Hausarbeiten vorbereiteten oder einfach chillten, musste ich arbeiten.

Warum haben Sie den Job nicht geschmissen und BAFÖG beantragt?

Ich war mir nicht sicher, ob ich das Studium hinkriege. Ich wollte die Sicherheit nicht aufgeben. Ständig wurde ich gefragt, warum ich diesen unsicheren, stressigen Weg überhaupt eingeschlagen habe. Ob während des Bachelor- oder Masterstudiums oder zur Zeit meiner Promotion, es hieß immer: Das schaffst du ohnehin nicht. Meine Antwort und wahrscheinlich mein stärkster Antrieb: Ich beweise euch, dass ich es kann!

Wie kamen Sie dann zum Thema Medizin?

Für meine Bachelorarbeit beschäftigte ich mich mit Gelenkknorpeln und Knorpelzellen von verschiedenen Schweinen, ein wichtiges Thema für die orthopädische Chirurgie. Ich fertigte die Arbeit im Forschungslabor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie der Charité Berlin.

Heute arbeiten Sie mit Zellkulturen ...

Das begann mit der Masterarbeit, für die ich zum Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI nach Leipzig kam, weil mich die Bereiche Zellkulturtechniken und Immunologie immer mehr interessierten. Vor allem die Schnittstelle von Zellkulturtechniken und medizinischen Anwendungen wurden und sind bis heute mein Ding.

Zu welchem Thema promovieren Sie gerade?

Über eine antikörperbasierte Therapie gegen Brustkrebs. Am meisten spornt es mich an, möglicherweise schon bald Patientinnen zu heilen. Brustkrebs könnte meine Mutter, meine Schwester oder mich selbst treffen, vielleicht gelingt es mir mit dem, was ich erforsche, betroffenen Frauen zu helfen. Grundlagenforschung überlasse ich anderen. Ich mag es, daran zu denken, dass unser Therapeutikum vielleicht schon in zehn Jahren wirken könnte.

Wo wären Sie persönlich gerne in zehn Jahren?

Da hätte ich am liebsten meine eigene Arbeitsgruppe hier bei Fraunhofer. Und ich kann mir schon auch vorstellen, mich zu habilitieren. Inzwischen wurde ich auch in das Fraunhofer-interne Förderprogramm TALENTA aufgenommen, das gezielt Frauen in ihrer Wissenschaftskarriere fördert.

Was ist ihr Erfolgsgeheimnis?

Misserfolge hauen mich nicht um, im Gegenteil, sie pushen mich. Ich hatte sehr viele Misserfolge während meiner Masterarbeit, Versuche, die in die Hose gingen, Frusterlebnisse. Dann habe ich mit trauriger Miene das Labor verlassen. Doch schon auf dem Nachhauseweg fing ich an darüber nachzudenken, woran es lag und was ich ändern könnte. Am nächsten Morgen ging ich dann voller Elan ins Labor und habe hoffnungsfroh den nächsten Versuch gestartet und dachte: Heute klappt es bestimmt! Wahrscheinlich ist mein Lebensweg dafür verantwortlich, denn ich habe bewiesen, dass ich mich durchbeißen kann. Wenn dann der Erfolg da ist, dann freue ich mich herzlich und laufe mit breitem Grinsen durchs Labor, dass alle wissen, was los ist. Doch schon kurze Zeit später übernimmt der Ehrgeiz wieder das Zepter: Wie kann ich jetzt mit diesen Ergebnissen weitermachen?

Text: Ilona Jerger

Bild: © Fraunhofer IZI

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