Lena

Psychoakustik

Porträt Lena Schell-Majoor

Was genau macht eigentlich eine Hörforscherin? Und wie wird man eine? Lena Schell-Majoor schreibt gerade an ihrer Doktorarbeit über Psychoakustik und die Stiftung der Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard fand ihre Forschungsarbeit so spannend, dass sie ihr zum UNESCO-L’Oreal-Förderpreis verhalf.

Worum geht es bei der Psychoakustik?

Geräusche von Produkten spielen bei der Kaufentscheidung eine immer größere Rolle. Also wollen die Hersteller von Rasierapparaten, Haarföhnen oder Küchenmixern heute schon in der Entwicklungsphase wissen, ob ihre Kunden mögen, was sie hören. Klingt der Staubsauger auch wirklich effektiv? Oder sagt das Geräusch beim Zuschlagen der Autotür etwas über die Qualität des Fahrzeugs? Um das herauszufinden, könnte man Hörstudien mit möglichst vielen Probanden durchführen, das ist aber sehr zeit- und kostenintensiv. Deshalb erforschen wir am Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in Oldenburg, welche akustischen Merkmale die empfundene Klangqualität ausmachen und wie sich diese automatisch bewerten lassen.

Wie kamen Sie zu diesem Berufswunsch?

Töne haben mich schon immer interessiert. Ich war Mitglied einer Musiktheatergruppe, mit der wir in einem Tonstudio eine CD aufgenommen haben. Da war ich elf und dachte, so was will ich später mal machen. Doch als ich mich für einen studienvorbereitenden Kurs an der Musikhochschule anmelden wollte, kam die Ernüchterung. Die sagten, ich hätte keine Chance, weil ich weder Klavier noch ein anderes Instrument spiele. Also ging ich erstmal nach Amerika, machte ein paar Praktika und sah mich um, was es sonst so gibt. Dabei stieß ich auf Medientechnik an der HAW Hamburg, und dort war Tontechnik zumindest ein Teilbereich.

Das ist aber eine Fachhochschule. Wieso können Sie jetzt promovieren?

Nach dem Studium arbeitete ich zunächst als Entwicklungsingenieurin für Kabinenakustik bei der Lufthansa Technik. Bis mich ein ehemaliger Professor auf den neuen Masterstudiengang "Zeitabhängige Medien, Schwerpunkt Sound" aufmerksam machte, wieder an der HAW Hamburg. Und dann war da die Doktorandenstelle zur Psychoakustik-Studie am Fraunhofer IDMT in Oldenburg ausgeschrieben. Ich musste zwar zusätzliche Kurse an der Uni belegen, konnte danach aber diese Doktorandenstelle antreten. Seit 2012 forsche ich nun an einem "auditorischen Modell".

Was ist das?

Ein Computermodell, also ein Algorithmus, der die Funktionsweise des Gehörs simuliert. Das Modell transformiert Originalsignale so, dass nur noch die Anteile enthalten sind, die für die menschliche Wahrnehmung eine Rolle spielen. Und ich versuche herauszufinden, ob sich Geräuscheigenschaften wie Rauigkeit, Schärfe oder Lästigkeit in der Modelldarstellung des Signals so abbilden, wie die Probanden sie bewertet haben. Es gibt natürlich Unterschiede in den Bewertungen, aber im Mittel lassen sich durchaus Aussagen treffen. Ziel ist es, mit dem Modell vorherzusagen, wie die Merkmale eines Geräusches bewertet werden. Dann spart es am Ende deutlich Zeit und Kosten.

Dafür haben Sie zuletzt einen Förderpreis für hochqualifizierte Doktorandinnen mit Kind bekommen. Was bedeutet der Preis für Sie?

Dieser Förderpreis von der Deutschen UNESCO-Kommission und L’Oréal Deutschland ist mit 20.000 Euro dotiert. Ich habe Ende 2013 eine Tochter bekommen, deren Betreuung ich mir von Anfang an mit meinem Mann geteilt habe. Das Preisgeld bietet mir jetzt Entlastung und sorgt für einen Motivationsschub.

Ist das nicht sehr schwierig, die Promotion mit einem Kind zu stemmen?

Als außergewöhnliche Herausforderung empfinde ich meine Situation als Mutter und Forscherin nicht. Ich habe es sehr gut, in meiner Umgebung sind mehrere Kolleginnen und Kollegen mit kleinen Kindern, das ist hier am Institut sehr gut integriert.

Bleibt da noch Zeit für Hobbys?

Naja. Früher habe ich Volleyball gespielt, jetzt komme ich höchstens hin und wieder mal zum Laufen oder, wenn ich Glück habe, zu einer Tasse Tee mit einem schönen Buch. Aber das wird ja auch wieder anders.

Was raten Sie Schülerinnen, die über ein MINT-Studium nachdenken?

Traut euch auszuprobieren, worauf ihr Lust habt. Und wenn es nicht klappt, dann begreift das Scheitern als Chance – jeder stößt mal an seine Grenze. Aber dann heißt es, nicht die Flinte ins Korn schmeißen, sondern schütteln, weiter überlegen und was Neues in Angriff nehmen.

Haben Sie das Gefühl, dass  sie es als Frau in der Wissenschaft schwerer haben?

Ich kann mich an keine Situation erinnern, wo es mal schwierig als Frau war. Inzwischen gibt es ja genug von uns.

Interview: Ines Bruckschen

Bild: L’Oréal/Peter Böttcher

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