Silvia

Angewandte Mathematik

Porträt Silvia D.

Prof. Dr. Silvia Daun hat Mathematik an der Universität zu Köln studiert. Aktuell ist sie Professorin für "Computational Neuroscience" am Zoologischen Institut der Universität zu Köln und leitet die Forschungsgruppe "Computational Neurology" am Institut für Neurowissenschaften und Medizin - Kognitive Neurowissenschaften (INM-3) am Forschungszentrum Jülich.

Was hat Sie dazu bewogen, dieses Studium zu realisieren? Haben Sie erst eine andere Richtung eingeschlagen?

Nein, eine andere Richtung habe ich nicht zuerst eingeschlagen. Ich wusste schon früh während meiner Schulzeit, dass ich etwas mit Mathematik machen wollte, weil es mir immer sehr viel Spaß gemacht hat und mir leicht gefallen ist. Meine Leistungskurse in der Oberstufe waren Mathematik, Biologie und Erdkunde. Wegen mangelnder Aufklärung darüber, was man beruflich mit Mathematik alles machen kann, ist es dann zuerst ein Lehramtsstudium der Fächer Mathematik und Biologie geworden, da mich die Biologie ebenfalls schon immer fasziniert hat. Mit zunehmender Semesterzahl habe ich dann gemerkt, dass der Lehrerberuf nichts für mich ist und dass ich eigentlich die Mathematik nutzen und anwenden möchte, um komplexe biologische Zusammenhänge zu untersuchen und zu verstehen. Dies hat dann dazu geführt, dass ich vom Lehramtsstudium zum Diplom gewechselt bin und ein Promotionsstudium der Angewandten Mathematik angeschlossen habe, um den genannten spannenden Forschungsfragen nachzugehen.

Haben Sie vor oder während des Studiums bereits praktische Erfahrungen gesammelt?

Während meines Studiums war ich als studentische Hilfskraft am Mathematischen Institut der Universität zu Köln tätig und habe dort als Übungsgruppenleiterin die in den Vorlesungen gestellten Übungsaufgaben mit Studierenden aus den niedrigeren Semestern besprochen. Des Weiteren habe ich mich zu der Zeit aktiv am Girls' Day und den Mädchen-Zukunftstagen mit Vorträgen und Vorführungen engagiert.

Waren Sie in bestimmte Netzwerke oder Hochschulprogramme involviert, die Sie unterstützt haben?

Während meiner Studienzeit war ich in keinem Netzwerk oder Programm involviert, leider. Mir war damals auch nicht bewusst, dass es solche Möglichkeiten für junge Frauen gibt. Da ich mir auf meinem Karriereweg an der ein oder anderen Stelle professionelle Unterstützung gewünscht hätte, engagiere ich mich seit mehr als 10 Jahren in unterschiedlichen Netzwerken und stehe als Mentorin für MINT-Studentinnen zur Verfügung (z.B. Netzwerk MINT-Frauen der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln, oder das Mentoring Programm 'Movement' der Universität Bielefeld).

Welchen Rat würden Sie einer Schülerin mit auf den Weg geben, die überlegt ob sie in einem MINT-Fach studieren soll?

Sie sollte aktiv auf Netzwerke zugehen, sich Adressen für eine Beratung geben lassen und damit die Möglichkeit am Schopfe fassen, in bestimmte Bereiche hinein zu schnuppern. Ich habe z.B. schon Anfragen von Schülerinnen bekommen, die aktiv auf mich zugekommen sind und gefragt haben, ob sie mich und meine Arbeitsgruppe einmal in unserem Alltag begleiten dürfen, das fand ich klasse. Traut Euch!

Wo und in welcher Position arbeiten Sie?

Ich bin Professorin für "Computational Neuroscience" am Zoologischen Institut der Universität zu Köln und leite die Forschungsgruppe "Computational Neurology" am Institut für Neurowissenschaften und Medizin - Kognitive Neurowissenschaften (INM-3) am Forschungszentrum Jülich. Dort bin ich auch Stellvertreterin des Institutsdirektors.

An welchen Projekten arbeiten Sie zurzeit?

Ich arbeite im Bereich der Neurowissenschaften. Ein grundlegendes Ziel dieser Fachdisziplin ist es, die Beziehung zwischen der Wirksamkeit und der Leistungsfähigkeit unseres Nervensystems zu erklären. Um dieses Ziel zu erreichen, ist Forschung auf unterschiedlichen Ebenen des Nervensystems notwendig. Dies reicht von der mikroskopischen Ebene, welche sich anschaut, wie molekulare Eigenschaften zur Aktivität einzelner Nervenzellen beitragen, bis hin zur makroskopischen Ebene, welche die Aktivität und Interaktion großer Nervenzellverbände und wie diese beispielsweise zur Bewegungssteuerung beitragen, beleuchtet. Aufgrund der Komplexität des Zusammenspiels dieser vielen Ebenen hat sich gezeigt, dass theoretische Modellierungsansätze immer unabdingbarer werden. Ich arbeite nun seit mehr als einem Jahrzehnt auf diesem innovativen Gebiet der theoretischen Neurowissenschaften. Basierend auf experimentellen Daten aus den verschiedenen Ebenen des Nervensystems entwickele ich mathematische Modelle und nutze diese zur numerischen Simulation. Dies erlaubt es mir, Hypothesen über komplexe Prozesse des Nervensystems zu formulieren, die dann in neu geplanten Experimenten überprüft werden können.

Zum einen arbeite ich mit experimentellen Daten von Insekten, um mit Hilfe meiner mathematischen Modelle allgemeine Prinzipien der motorischen Steuerung einzelner und mehrerer Beine zu extrahieren. Diese Erkenntnisse sind z.B. für die Umsetzung motorischer Steuerungsprozesse in der Robotik von Interesse. Im Mittelpunkt steht hierbei die Untersuchung rhythmischer Aktivität im Nervensystem und inwieweit sie zur Fortbewegung und insbesondere zur Bewegungssteuerung beiträgt. Die Herausforderung besteht darin, die mathematischen Modelle über die gesamte Bandbreite der regulatorischen Ebenen zu verknüpfen - von der Dynamik molekularer Interaktionen über zelluläre Eigenschaften bis hin zu Interaktionen kleiner und großer neuronaler Netzwerke. Darüber hinaus muss die Interaktion des Nervensystems mit der Umwelt (sensomotorische Integration / Kontrolle) abgebildet werden.

Das Ziel eines weiteren Projekts ist es, neue Therapieansätze für Schlaganfallpatienten mit Bewegungsstörungen zu entwickeln - eine Krankheit, die durch das steigende Durchschnittsalter unserer Gesellschaft immer wichtiger wird. Ich untersuche dazu die Aktivität neuronaler Netzwerke im Kortex des menschlichen Gehirns, die für unsere Motorik verantwortlich sind. Ansatzpunkte für meine Forschung sind elektrophysiologische Messungen wie Elektroenzephalographie (EEG) oder Magnetoenzephalographie (MEG) sowie bildgebende Verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) kombiniert mit Verhaltensmessungen. Des Weiteren verwende ich die transkranielle Magnetstimulation (TMS), um bestimmte Bereiche des Gehirns zu aktivieren oder deren Aktivität zu hemmen und somit die Netzwerkaktivität aktiv von außen zu beeinflussen.

Um die gewonnenen komplexen Datensätze zu analysieren, sowie die Interaktion der verschiedenen an der motorischen Aktion beteiligten Hirnareale des motorischen Kortex zu verstehen, entwickele ich geeignete Analysemethoden sowie mathematische Modelle. Auf diese Weise können Dysfunktionen innerhalb der Dynamik des motorischen Netzwerks, wie sie z.B. bei einem Schlaganfall auftreten, erkannt und verstanden werden. Weiterhin tragen die gewonnenen Erkenntnisse zu neuen Hypothesen bei, wie schlaganfallbedingte Funktionsstörungen korrigiert bzw. gesunde Funktionsweisen neu gelernt werden können.

Wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag aus?

Da ich ebenfalls Stellvertreterin des Direktors des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin (INM-3) am Forschungszentrum Jülich bin, besteht mein Arbeitsalltag zum einen auch aus Managementaufgaben, die die Führung und administrative Dinge des Instituts betreffen. Das beinhaltet unter anderem auch die Planung der Personaldecke und des Budgets.

Zum anderen besteht meine Arbeit in der Konzeption neuer Forschungsprojekte, der Erarbeitung neuer Forschungstrends und in der Betreuung und Ausbildung von Masterstudierenden, Promovierenden sowie Postdoktorandinnen und Postdoktoranden, die die Forschungsprojekte durchführen.

Wenn ich morgens ins Institut komme, dann nehme ich mir zu allererst einmal einen Kaffee und lese und bearbeite meine E-Mails. Nachdem ich diese bearbeitet und administrative Dinge, die das Institut betreffen, erledigt habe, gehe ich für gewöhnlich in das Gespräch und die Diskussion mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, entweder einzeln oder in Form eines Seminars. Die Diskussionen beziehen sich dann z.B. auf die Form des Experiments, das durchgeführt werden soll, darauf, wie die erhobenen Daten analysiert werden müssen, oder auf die neurowissenschaftliche Interpretation der Ergebnisse. Da die Ergebnisse auch publiziert werden müssen, leite ich meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum wissenschaftlichen Schreiben an und lese entsprechend Entwürfe Korrektur und entwickele diese weiter. Des Weiteren biete ich während des Semesters wöchentlich ein Seminar zu unterschiedlichen Themen der theoretischen Neurowissenschaften an der Universität zu Köln an.

Welche besonderen Vorkenntnisse, Fähigkeiten und Interessen braucht man für Ihren Beruf?

  • Ausbildung in Mathematik oder Physik und Neurowissenschaften;
  • Neugier und Interesse, Neues zu erforschen;
  • schnelles Erfassen neuer komplexer Fragestellungen;
  • Motivation;
  • Mut;
  • Hartnäckigkeit;
  • strategisches Denken;
  • Organisationsfähigkeit;
  • gute Führungsqualität;
  • Empathie;
  • gute Englischkenntnisse;
  • Kommunikationsfähigkeit.

Was fasziniert Sie an Ihrer Tätigkeit am meisten?

Die Forschung fasziniert mich, da ich durch sie immer wieder Neues lernen und mich damit weiterentwickeln kann und da ich durch sie Dinge bewegen und Menschen helfen kann.

Ich mache jeden Tag etwas Neues und fast jeden Tag erwarten mich neue Ergebnisse, aus denen sich wiederum neue Ideen entwickeln, die ich dann in die Forschungsprojekte zu integrieren versuche.

Wie ist Ihre Erfahrung in einem MINT-Beruf?

In der Vergangenheit habe ich hauptsächlich mit Männern zusammengearbeitet. Gerade in den Führungspositionen sind es immer noch hauptsächlich Männer. Hierbei hat es mir immer geholfen, mich in die "männliche" Sicht- und Handlungsweise hinein zu versetzen, um zielgerichtet Diskussionen mit Kollegen zu führen.

Generell ist der Weg zur Professur ein steiniger, da es für die vielen jungen und exzellenten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nicht genug freie Stellen gibt. Die Konkurrenz ist sehr groß, dessen muss man sich bewusst sein, davon sollte man sich aber nicht entmutigen lassen. Dies bedeutet aber auch, dass man großen Einsatz zeigen und viel Energie aufwenden muss, um voran zu kommen. Es hilft daher sehr, wenn man sich in ein Problem so "fest beißen" bzw. eine Fragestellung einen so faszinieren kann, dass man darüber die Zeit vergisst.

Welche beruflichen Ziele haben Sie persönlich für Ihre eigene Karriere?

Ich habe mein bisher größtes berufliches Ziel, die Forschungsprofessur, bereits vor vier Jahren erreicht. Da mich meine Arbeit erfüllt, habe ich momentan erst einmal kein weiteres großes Karriereziel vor Augen. Natürlich möchte ich weiterhin in dem was ich tue erfolgreich sein und meinen Forschungsschwerpunkt vorantreiben.

In Ihrer Freizeit beschäftigen Sie sich am liebsten mit…

Musik. Ich singe und tanze sehr gerne, das hilft mir, meinen Kopf frei zu bekommen. Des Weiteren bin ich sehr gerne aktiv in der Natur unterwegs, gehe wandern oder fahre Fahrrad.

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