Stefanie
Energietechnik
Ingenieurin für Energietechnik, Teamleiterin und Kämpfernatur. Thermische Energiespeicher effizienter machen, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führen und nebenbei promovieren: Das alles macht Stefanie Reil gleichzeitig. Dass diesen Weg immer noch viel mehr Männer als Frauen gehen, ist ihr egal. Sie mag die kreative Herausforderung.
Was und an welcher Hochschule haben Sie studiert?
Mein Diplom als Ingenieurin habe ich in Umwelttechnik an der heutigen Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden (OTH) gemacht, den Master dann noch in "Regenerative Energien und Energieeffizienz" an der Uni Kassel.
Wussten Sie von Anfang an, dass Sie diesen Weg gehen werden?
Nein, Berufs- und Studienberater, aber auch meine Lehrer, rieten mir damals davon ab, als Frau einen technisch ausgerichteten Studiengang zu belegen, das hat mich schon verunsichert. Aber die Initialzündung kam bei der Facharbeit im Bio-Leistungskurs. Ich habe über die Gewässergüte in einem Fluss geschrieben und dafür einen Fließgeschwindigkeitsmesser aus einem alten Fahrrad gebastelt. Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich mich über alle möglichen technischen Studienfächer informiert und dann für Umwelttechnik entschieden habe. Außerdem haben mir meine Freunde Mut gemacht und gesagt: Das schaffst du schon!
Und wie ist es nun so, als Frau in einem technischen Beruf?
Im Energiebereich ist es ausgeglichener als bei anderen technischen Themen. Und meine Mitarbeitenden mögen es, eine Frau als Teamleitung zu haben. Sie sagen, da zähle nicht nur das Fachliche, es werde auch besonders großer Wert auf Kommunikation und das Miteinander im Team gelegt.
Apropos Teamleitung: Wie kamen Sie zu Ihrer Führungsaufgabe?
Ich habe schon während dem Studium als Physik-Tutorin und als Hiwi gearbeitet, seit dem Diplom-Abschluss sogar als Lehrbeauftragte an meiner alten Hochschule. Erste Führungsaufgaben übernahm ich dann in Forschungsgruppen und als Hochschulfrauenbeauftragte.
Wo arbeiten Sie jetzt und an welchen Projekten sind Sie beteiligt?
Seit Januar 2014 arbeite ich am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Sulzbach-Rosenberg, etwa 50 Kilometer östlich von Nürnberg. Dort leite ich die 10-köpfige Gruppe "Thermische Speicher". Wir entwickeln neue Verfahren und Anlagen, um Biomasse und biogenen Abfall wieder in Energie umzuwandeln beziehungsweise zu speichern. Dafür betreiben wir auf über 400 Quadratmetern Prüfstände für thermische Energiespeicher, Feuerungen, Filteranlagen sowie eine erweiterte Online-Gasanalytik für anwendungsnahe Entwicklungen.
Im Fokus haben wir vor allem Latentwärmespeicher – die nutzen Energie, die beim Übergang von einem Aggregatzustand in den anderen, zum Beispiel von fest zu flüssig, frei wird – und sensible Wärmespeicher, die die Wärmespeicherkapazität von zum Beispiel Wasser oder Naturgesteinen nutzen. Ein weiteres Forschungsfeld sind thermochemische Speicher, bei denen die Wärme durch eine chemische Reaktion gespeichert wird, was eine Langzeitspeicherung ermöglicht.
Was mögen Sie an dem Thema besonders?
Regenerative Energien sind ein Thema, das von der Öffentlichkeit stark wahrgenommen wird. Es motiviert mich, dass hier wirklich ein Bedarf ist und dass wir etwas verändern können. An der praktischen Forschung reizt mich vor allem das Freigeistige. Grundlagenforschung wäre mir zu theoretisch, die Industrie zu wirtschaftsgetrieben. Nein, hier fühle ich mich richtig.
Wie sieht Ihr typischer Arbeitsalltag aus?
Einen typischen Arbeitsalltag gibt es für mich nicht, dafür sind meine Aufgaben zu vielschichtig. Ich halte Vorlesungen, koordiniere Projekte, coache Mitarbeiter, organisiere die Finanzierung meiner Forschung, pflege Kontakte zur Industrie, berichte an die Institutsleitung, melde Schutzrechte an, bereite Verträge mit Unternehmen vor oder netzwerke mit Universitäten, Gremien und Firmenpartnern – kein Tag ist wie der andere, und das gefällt mir.
Gab es auch mal Durststrecken?
Oh ja, für mein Promotionsthema "Thermochemische Vergasung von Biomasse" brauchte ich einen Partner aus der Industrie. Der war zwar bald gefunden, konnte aber aufgrund finanzieller Schwierigkeiten das Projekt nicht wie geplant zu Ende bringen. Auch der zweite wurde Opfer der Wirtschaftskrise. Und als ich den dritten Forschungsantrag klargemacht hatte, starb mein liebgewonnener Doktorvater urplötzlich an Herzversagen. Das war eine menschliche Tragödie, nicht nur für seine Familie.
Zum Glück war mein Netzwerk in dieser Phase schon ziemlich groß. Ich ging strategisch vor und notierte drei Namen, sortiert nach Priorität, die ich mir als alternative Doktorväter vorstellen konnte und nacheinander anschreiben wollte. Als der Kandidat mit Prio A bereits eine halbe Stunde nach Absenden der Anfrage zusagte, war zumindest dieses Problem wieder gelöst. Ich bin schon eher ein Kämpfertyp und zielstrebig (manche sagen auch stur ;)). Und ich hatte das Glück, dass immer Menschen in meiner Nähe waren, die mich motiviert haben, zum Beispiel mein Zweitgutachter und Betreuer an der Hochschule.
Wie lässt sich die Promotion mit Ihrer Aufgabe als Teamleitung in Einklang bringen?
Ich nehme am internen Fraunhofer-Förderprogramm TALENTA für Wissenschaftlerinnen teil. Dort kann ich mir innerhalb von zwei Jahren neben der Arbeit "Karrierezeit" nehmen, in der ich an meiner Promotion arbeite. Gleichzeitig absolviere ich verschiedene Coaching-Einheiten und Führungskurse und vernetze mich enger mit anderen Fraunhofer-Forscherinnen.
Das ist insgesamt schon ein ganz schön straffes Programm. Wie entspannen Sie sich, wo sammeln Sie neue Kraft?
Beim Sport an der frischen Luft (Radfahren, Walken, Wandern), beim Kochen, beim Werkeln im Garten und beim Zusammensein mit Familie und Freunden. Und in diesem Jahr auch endlich wieder auf einer großen Reise: Zusammen mit meinem Mann will ich nach Alaska und dort mit einem Hochseekajak fahren.
Text: Ines Bruckschen
Bildquelle: privat