Yelda

Chemische Biologie

Porträt Yelda Demirdoegen

Yelda Nur Demirdögen ist Masterstudentin der Chemischen Biologie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). An dem Studiengang gefällt ihr vor allem die Interdisziplinarität, sowie das Verwenden der Chemie als Werkzeug der Biologie. Sie rät Schülerinnen Orientierungsveranstaltungen der Universitäten sowie freiwillige Praktika zu nutzen, um den passenden Studiengang für sich zu finden.

Was und an welcher Hochschule studieren Sie?

Ich bin Masterstudentin der Chemischen Biologie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Was hat Sie dazu bewogen, dieses Studium zu realisieren? Haben Sie erst eine andere Richtung eingeschlagen?

Als Tochter eines Elektrikers hörte ich früh von der Automatisierungs- und der Schalttechnik, aber der Begriff „Chemie“ war fremd bzw. negativ konnotiert. Wenn ich meine Eltern beim Einkaufen überreden wollte, Süßigkeiten zu kaufen, wurde es mir ausgeredet: „Das ist alles Chemie!“, sagte mein Vater. Stimmt… Das Leben ist Chemie! Das erfuhr ich mit zehn Jahren beim Besuch eines Arabischkurses in den Osterferien. Die Kursleiterin war ursprünglich Chemielehrerin. In der damals streng laizistischen Türkei hatte sie das Glück, Professorinnen zu haben, die ihr trotz ihres Kopftuches Vorlesungsunterlagen mit nach Hause gaben und die Teilnahme an Prüfungen erlaubten. Nach erfolgreichem Beenden ihres Chemiestudiums war ihr das Unterrichten an Schulen dennoch untersagt – aufgrund ihrer Kopfbedeckung. Zum einen berührte mich ihr Schicksal zutiefst, zum anderen war ich nun neugierig geworden. Ich hatte eine starke und inspirierende Frau getroffen, die mit mir ihren Enthusiasmus für die Chemie teilen wollte.

Im allgemeinbildenden Gymnasium musste ich auf den Chemieunterricht bis zur 8. Klasse warten. In demselben Jahr stellte sich das Online-Mentoring-Programm CyberMentor an einem Nachmittag in der Schule vor. Zu Hause angekommen, zögerte ich keine Sekunde und meldete mich sofort als Mentee an. Mit CyberMentor gewann ich Zutritt zu einem Netzwerk von erfolgreichen Frauen in MINT Berufen und Schülerinnen, die auch Interesse für die sogenannten „Männerberufe“ aufwiesen. Das bekräftigte mich in meinem Plan, ein chemisch-biologisches Studium anzutreten. Auch ich durfte der Plattform etwas zurückgeben, indem ich eine Schülerin als Mentorin für ein Jahr betreute.

Während ich nach passenden Studiengängen Ausschau hielt, stoß ich auf den Studiengang „Chemische Biologie“ am KIT: „Die Chemische Biologie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die gezielt Fragestellungen aus dem Grenzbereich zwischen Biologie und Chemie hervorhebt. Biologische oder medizinische Fragestellungen […] werden mit physikalisch-chemischen Methoden untersucht. Ziel ist das molekulare Verständnis biologischer Prozesse.“ Chemie als Werkzeug für die Biologie. Interdisziplinarität! Das war das, was ich suchte.

Haben Sie vor oder während des Studiums bereits praktische Erfahrungen gesammelt?

Vor meinem Studium nahm ich an zwei Berufsorientierungspraktika (BOGY) am Forschungszentrum des KIT teil. Das eine fand am Institut für Kernphysik statt. Hier gewann ich Einblicke in die Arbeit, die hinter Projekten wie Tunka-Rex (Messung von kosmischer Strahlung mit Radioantennen) und KATRIN (Messung der Masse eines Neutrinos mit einem 70 m langen Spektrometer) steckt. Das andere Praktikum absolvierte ich am Institut für Toxikologie und Genetik (jetzt: Institut für Biologische und Chemische Systeme), wobei ich Aufgaben wie die Herstellung von Agarplatten mit Antibiotika, die Kultivierung von Zellen, die Durchführung einer Gelelektrophorese (zur Bestätigung eines Gen-Knockouts bei einer Maus) und sogar die Injektion von mRNA in Zebrafischembryos (zur Untersuchung der Funktion von Genen) erfüllte.

Der Studiengang “Chemische Biologie” ist so organisiert, dass jedes Semester mindestens ein Laborpraktikum (Bioanalytik, Biochemie, Anorganische Chemie, Organische Chemie, Physikalische Chemie etc.) durchzuführen ist. Abschlussarbeiten werden zu etwa 80% im Labor ausgeführt. Außerdem arbeitete ich während des Studiums als studentische Hilfskraft des Zentrallabors des Städtischen Klinikums Karlsruhe und als HiWine an der Synthese von Kupferkomplexen als Emittermaterialien für organische LEDs in der Gruppe von Prof. Bräse.

Haben Sie ein Auslandsstudium absolviert? Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Tatsächlich vernachlässigte ich die Organisation eines Auslandssemesters bzw. eines Praktikums im Ausland, da dies bei dem eng gestrickten Studienplan ohne eine Verlängerung des Studiums um mindestens ein Semester nicht möglich gewesen wäre. Nichtsdestotrotz, am KIT mangelt es mit 5632 Studierenden aus dem Ausland (Stand: Wintersemester 2019/2020) nicht an Internationalität. In vielen Arbeitskreisen herrscht ein multikulturelles Umfeld. Deshalb hatte ich zahlreiche Gelegenheiten, mich mit talentierten Studentinnen und Studenten sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern aus beispielsweise China, England, Indien, Italien, Kanada, Russland, Spanien, Thailand oder der Ukraine auszutauschen.

Welchen Rat würden Sie einer Schülerin mit auf den Weg geben, die überlegt, ein MINT-Fach zu studieren?

  1. Sei in der Lage, grundlegende Fragen zu deiner Wahl zu beantworten: Warum will ich X studieren? Was ist mein Antrieb? Was sind meine Werte? etc.
  2. So gut wie jede Universität bietet einen “Tag der offenen Tür” an. Nutze diese Chance, um in Vorlesungen reinzuhören.
  3. Außerdem kannst du BOGY-Praktika bzw. freiwillige Praktika bei Arbeitskreisen anfragen und somit in die Arbeit in der Forschung hineinschnuppern.
  4. Vor deiner Bewerbung solltest du Studienprogramme und Modulhandbücher gründlich durchlesen.
  5. Wenn du während dem Studium feststellen solltest, dass deine Wahl doch nicht das “Gelbe vom Ei“ war, dann setze dich nicht unter Druck. Der Weg zum Glück ist nicht immer gerade.

Falls du dich für Chemie und/oder Biologie interessierst, aber noch Zweifel bei deiner Studiengangwahl hast, kannst du mich per Mail (yelda.demirdoegen@icloud.com) kontaktieren. Ich beantworte deine Fragen gerne.

Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern, damit mehr Frauen mathematisch-technische Berufe wählen?

Auffällig ist, dass Frauen gesellschaftlich angesehene (“nützliche“) Berufe vorziehen. Lehrerin, Anwältin und Ärztin scheinen primäre Berufswünsche zu sein. Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie zeigt jedoch deutlich, dass die Gesellschaft auch MINTlerinnen braucht: ob zur Forschung, Wissenschaftskommunikation oder für innovative Ideen in Digitalisierung und Technik. Der Bedarf ist da – der gesellschaftliche Mehrnutzen auch! Daher ist es wichtig, dass hier die Schulen früh über ein weites Spektrum an Berufsmöglichkeiten aufklären.

Zusätzlich sollten im Unterricht Frauenvorbilder zur Orientierung und Inspiration aufgezeigt werden. Denn vor allem in den naturwissenschaftlichen Fächern hört man oft von Newton, Einstein, Watson und Crick, Haber und Bosch; jedoch nie von Alice Ball, Rosalind Franklin, Ada Lovelace, Maryam Mirzakhani, Marie Sklodowska-Curie, Chien-Shiung Wu usw.

Zu guter Letzt müssen Unternehmen frauenfreundlicher werden. Chancengleichheit insbesondere in Bezug auf Löhne und Verträge soll endlich die Norm sein.

In Ihrer Freizeit beschäftigen Sie sich am liebsten mit?

Meine freien Stunden verbringe ich mit Familien und Freunden. Zu diesen zähle ich ebenso: die Nachbarsfamilie aus Syrien, die ich bei ihren alltäglichen Herausforderungen in Deutschland unterstütze; und die jugendlichen Migrantinnen, denen ich ehrenamtlich Nachhilfe gebe.

Als Ausgleich (und: zur Erhöhung meines niedrigen Blutdruckes) mache ich gelegentlich Ausdauersport.

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